Mein Kieferjahr

Corinnes Kieferpartie

Es ist eine Geschichte unter vielen. Aber meine ganz persönliche. Die Geschichte meiner beiden Kieferoperationen – einmal am Unterkiefer und einmal am Oberkiefer. Mit dieser will ich anderen Betroffenen Mut machen und sie dazu inspirieren, ihren Weg zu gehen.

Mein Kieferjahr dauert genau genommen 30 Jahre. Vor 30 Jahren bin ich mit einem Geburtsgebrechen auf die Welt gekommen. Überbiss, Oberkiefer zu eng, offener Biss. Ein Fall für die Invalidenversicherung (IV). Aber überhaupt kein hoffnungsloser. So lerne ich den Stuhl beim Zahnarzt und bei der Kieferorthopädin schon in meiner Kindheit bestens kennen. Ich mache das volle Programm durch. Bis der Entschluss feststeht: Wir haben viel erreicht. Mehr geht nicht, nicht ohne einen chirurgischen Eingriff. 

Klein Corinne vor dem Beginn der kieferorthopädischen Behandlung.

Kieferoperation = zu hohes Risiko

Ich bin 19 Jahre alt, und mein Leben fängt gefühlt erst so richtig an. Ich will hinaus in die Welt. Und genau jetzt muss ich mich entscheiden. Denn die IV übernimmt die Kosten für die Behandlung nur bis zum 20. Lebensjahr. Von mehreren Seiten her wird mir abgeraten. Das Rückfallrisiko sei zu gross. Und ganz ehrlich: Nochmals eineinhalb Jahre Spange? Nee, kein Bock. Denn das müsste ich in Kauf nehmen. Ein Jahr fühlt sich für mich noch unglaublich lange an.

Das Dauerthema Kiefer sass mir im Nacken.

Die Entscheidung von damals, mich nicht unters Messer zu legen, bereute ich viele Jahre. Ich warf mir vor, wie viel besser es mir ginge, hätte ich es nur getan. Wie viele Nerven und Geld ich gespart, wie vielen Schmerzen ich vorgebeugt hätte. So ging ich meinen Weg nie ganz alleine. Das Dauerthema Kiefer sass mir im Nacken. Mal ganz laut, mal ganz still. Es verstand sich prächtig mit der Verspannung. Die beiden bildeten ein gutes Gespann. Heute weiss ich: Die Entscheidung konnte ich damals nicht anders treffen. Es hatte alles seinen Grund so. Sonst wäre ich nicht zu meinen mich heute behandelnden Ärzten gekommen. Hätte nicht zu der für mich passenden Behandlung gefunden. Ich war noch nicht bereit. Und etwas ist unbestritten: In diesen zehn Jahren tat sich in der Kieferchirurgie unglaublich viel.

Zahnschmelz-Erosion par excellence

Das Ästhetische ist nur die eine Sache.

Die nächsten Jahre suche ich aber doch immer wieder mal eine Fachperson auf. Mit mässigem Erfolg. Ich fühle mich wie ein Ping Pong Ball. Jede*r schlägt mich von sich fort. So richtig aufgehoben fühle ich mich nie. Mein Zahnschmelz schmilzt dahin, auf beiden Seiten habe ich nur noch auf zwei Zähnen Kontakt. Mein Kiefer schmerzt, weil ich total kompensiere. Ich schiebe meinen Unterkiefer selbst nach vorne, so dass mein Mund nicht ständig offen steht. Und ja, da wäre noch die Sache mit dem Doppelkinn… Das Ästhetische ist aber nur eine Sache – die Kieferfehlstellung schränkt auch meine Atmung ein. Last but not least: Ich habe öfters Kopfweh durch die Verspannungen.

Der erste Schritt zur Besserung

Mit 27 Jahren gelange ich zu einer ganzheitlichen Zahnärztin, die mir auf ihre Weise sehr hilft. Ich bekomme einen Bionator. Mein «Terminator», wie ich ihn liebevoll nenne. Denn er soll mir helfen, die Schmerzen zu beenden. Und ich brauche einen Kosenamen für dieses herausnehmbare Gerät mit dem Draht, der antennenähnlich vorne herausragt. Der Bionator stammt aus der ganzheitlichen Zahnmedizin und ist ein Turngerät für den Mund, der die gesamte orofaziale Muskulatur (wie Zungenfunktion, Schlucken, Sprechen, Atmen) umtrainiert. Er gehört zur selben Familie wie der Monoblock, den ich aus meiner Kindheit kenne.

Der Bionator hilft

So sieht er aus, der Bionator. Das Bild habe ich von hier.

Ich trage das Gerät sechs Monate lang Tag und Nacht, danach nur noch in der Nacht. Sprechen fällt mir anfangs sehr schwer. Und ich fühle mich auch etwas «unmündig». Mein Umfeld wie auch ich gewöhnen uns aber schnell dran. Mit ein paar Ausnahmen. Lustigerweise fällt nicht mal so ein Teil im Mund allen auf. Der «Terminator» hilft – meine Kopfschmerzen sind deutlich weniger als früher.

Die Zahnärztin schickt mich zudem aufgrund einer Zungendysfunktion zur Logopädin. Das Ergebnis: eine deutlichere Aussprache. Und meine Zunge ist endlich am richtigen Platz – sie stiess zuvor beim Schlucken und Sprechen durch die vorderen Zahnreihen. Ich lasse mir zudem bei den zwei oberen Frontzähnen Veneers machen. Die hauchdünnen Zahnschalen aus Keramik haben einen sehr schönen Effekt. Aber – auch hier stossen wir ohne chirurgischen Eingriff an Grenzen. Die Zahnärztin schlägt vor, die Zähne abzuschleifen und dann mit Kronen zu arbeiten, um das Ganze zu begradigen. «Zähne abschleifen» klingt in meinen Ohren aber ganz und gar falsch.

Die finale Entscheidung – Kieferoperation ja oder nein

Meine inneren Würfel sind gefallen. 

Mir wird klar: Jetzt oder nie. Ein für allemal. OP oder nicht OP. Ich will Klarheit. Ich schreibe Jozé, der zehn Jahre als selbstständiger Zahntechniker arbeitete. Er ist der Mann einer guten Freundin und sagt sofort, ich solle bei ihm im Büro vorbeikommen. Und er tut etwas, was mir solange gefehlt hat. Etwas so Einfaches, könnte man meinen. Er nimmt sich Zeit. Macht Abdrücke, klärt mich auf. Erzählt die Geschichte seines Cousins, die meiner gleicht. Und je mehr er das tut, und auch mich fragt, was mir wichtig ist, desto mehr wird mir bewusst: Es gibt nur einen Weg für mich. Und den werde ich gehen. Meine inneren Würfel sind gefallen. 

So viel kostet der neue Kiefer

Nun, da war doch noch etwas. Ah ja, die Kosten für die Kieferoperationen und die dazugehörige Behandlung. Wie lange bereitete mir der Gedanke an euch Kopfschmerzen. Mit CHF 30’000.– bis CHF 50’000.– seid ihr ein ordentlicher Geldberg, sozusagen ein Matterhorn. Nun: Ich bezwinge euch. Auch falls die Krankenkasse nicht zahlen sollte, wie alle den Teufel an die Wand malen. Mein Vater bietet mir ohne zu Zögern ein Darlehen an. Ich vereinbare sogleich einen ersten Beratungstermin in der Praxis, in der Jozés Cousin behandelt wurde. Lasset die Spiele beginnen.

Ready, steady, go: Die 1. OP

Ende August steht die erste Kieferoperation an. Vollnarkose. Nach dem Durchtrennen des Unterkiefers wird an jeder Seite ein Gerät zur Distraktion eingesetzt. Als ich nach der OP aufwache, sieht mein Gesicht aus wie eine Hamster-Kartoffel. Ich werde ambulant operiert und kann/muss (Ansichtssache) am selben Tag nach Hause. Mit der Markierung an mir: Muss für mindestens 24h unter ständiger Beobachtung sein. Ich bin ein sehr selbstständiger Mensch, deshalb ist es anfangs schwer für mich, mich fallenzulassen. Nicht zu müssen. Mich in die Hände anderer zu übergeben. Aber es tut mir gut, Hilfe anzunehmen. 

Ich sabbere, und merke es nicht einmal.

Bei meiner Schwester angekommen, fangen die Schmerzen so richtig an. Und da sich mein Medikamenten-Cocktail auf nüchternem Magen gar nicht verträgt, muss dieser dringend gefüllt werden. Babybrei ist die schnellste und einfachste Lösung. Meine Mutter füttert mich. Es geht nicht anders. Ich sabbere zudem, was das Zeug hält. Und merke es aufgrund der Taubheit in meinen Lippen/Kinnbereich nicht einmal. In der Klinik konnte ich ein Frappé mit Mühe löffeln. Röhrli? Nope, keine Chance. Aber: Jeden Tag geht es ein Stückchen besser. Es fühlt sich etwas wie eine Neugeburt an. 

Die Tage nach der ersten Kieferoperation

Die Lorbeeren für diese Collage – vor und nach der ersten Kieferoperation – gehen an meine Schwester «Gaga».

Ich, die mein Herz auf der Zunge trägt, kann mich nicht richtig ausdrücken. Das bringt mich innerlich zur Rage. Ich lerne, damit umzugehen. Überhaupt, ich verziehe keine Miene. Kann gar nicht. Meine Schwester bezeichnet mich zu Recht als «Resting Bitch Face». Ich sie dafür «Gaga» – «Baba» aussprechen kann ich aktuell nicht. Ich, die Humor über alles liebt, kann auch nicht lachen. Es tut weh. Gut fürs Gemüt ist es trotzdem. Die Nächte sind am schlimmsten. Ich kann nicht schlafen. Bin eine ausgeprägte Seitenschläferin, die sich nur sehr schwer bis gar nicht mit dem Schlafen auf dem Rücken anfreunden kann. Damit ich nach ein paar Tagen überhaupt zu etwas Schlaf komme, nehme ich zum ersten Mal Schlaftabletten.

Nicht nur für mich sind diese Tage schwierig, sondern auch für mein Pflegepersonal – meine Familie. Ich lese den Schrecken in ihren Gesichtern, als sie mich das erste Mal nach der OP sehen. Ich fühle die Überforderung, die manchmal zu überborden droht. Ich spüre das Mitgefühl in ihren Blicken, Worten und Taten. Ich bin ihnen sowie auch meinen Freunden unendlich dankbar.

So verlängern sich meine Unterkieferknochen

So sieht der Distraktor aus
Die Kieferchirurgie setzt Distraktoren zur Knochenverlängerung ein.

Nach einem kleinen Down fange ich mich und mache mir klar, dass ich nun auch den Rest packe. Der erste Schmerzintervall ist vorüber. Nun geht es aber ans Eingemachte: ans Einstellen der Distraktoren. Jeden Tag wird der Knochen auf jeder Seite um einen halben bis ganzen Millimeter verlängert. So hat er schön Zeit, sich neu zu bilden, und das Kiefergelenk wird nicht überlastet. Dieses hat die letzten Jahre schon genug gelitten.

Mein Überbiss beträgt 12 Millimeter – um so viel ist mein Unterkiefer nach hinten versetzt. Dazu kommt der offene Biss, sprich der Abstand zwischen meinen Frontzähnen. Ich drehe selber an den Distraktoren. Am Morgen, am Mittag, am Abend. Und die Schmerzen beginnen von vorn. Ich drehe tapfer weiter. Ich drehe durch. Ich suche verzweifelt nach Anhaltspunkten. An die ich mich halten kann. Ich finde keine. Ich lerne: Ich selbst bin mein Massstab. Ich muss einschätzen: Sind diese Schmerzen normal? Soll ich handeln? Brauche ich einfach Geduld? Was tut mir gut? Ich lerne mich besser und besser kennen.

Geschenkte Zeit

Ich stelle mein ganzes Leben auf den Kopf.

Die Heilungszeit verbringe ich vor allem bei meiner Mutter. Wir spielen Othello, wie früher. Und ich habe Zeit. Viel Zeit, um mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Ein Geschenk. Ich stelle mein ganzes Leben in Frage. Auf den Kopf. Drehe es rundherum und schaue es von allen Seiten an. Wer bin ich? Was will ich? Wo will ich hin? Entwerfe Pläne, und verwerfe sie wieder. Bin Feuer und Flamme für eine Idee, und springe ins Wasser. Gewisse Dinge aber bleiben. Ich schreibe sie nieder. Und damit auch in mein Herz.

Ich fange langsam mit Spazieren an. Jeden Tag eine grössere Runde. Es tut mir gut. Zudem lese ich viel, meditiere und entdecke Handlettering. Besuch ist schwierig. Strengt mich sehr an, da ich trotzdem zu viel rede. Ich will ja auch erzählen.

Der Biss schliesst sich langsam

Nach drei Wochen bin ich wieder in meiner eigenen Wohnung. Mein Unterkiefer ist schon ganz vorne, nun heisst es den Biss zu schliessen. Und dann: Zum ersten Mal in meinem Leben berühren sich meine Frontzähne! Das Gefühl ist unglaublich. Die Schmerzen jedoch auch – stärker als am Anfang. Ich habe das Gefühl, es zerreisst mir den Kiefer. Stark bleiben! Nach einer Zwangspause, was das Drehen angeht, geht es die Woche drauf wieder viel besser. Am Wochenende wage ich mich sogar an die Langstrasse mit einer guten Freundin. Fertig gedreht.

Püriertes in allen Variationen

Eigenkreation: Randen-Chèvre-Mus mit gerösteten Pinienkernen.

Nach fünf Wochen krankgeschrieben beginne ich wieder auf der Arbeit. Halte mir die Abende so gut es geht frei. Ich brauche sie, zur Erholung. Es ist schön, wieder etwas Routine zu haben. Langsam ins Leben zurückzukommen. Unter die Menschen. Ich rede offen über meine Operation und bin erstaunt, wie ich durch das plötzlich andere Lebensgeschichten erfahre. Ähnliche, und ganz unterschiedliche.

Ich bin noch eine halbe Portion, wie eine gute Freundin sagt. Ich scherze: Eine Kieferoperation sei besser als jede Diät. Und das ohne Sport. Mein Kiefergelenk darf ich nämlich für insgesamt drei Monate nicht belasten, sprich nur weiche Kost. Viel Suppe, viel Püriertes, viel Hummus. Unfreiwillig entwerfe ich Eigenkreationen – pürieren lässt sich so ziemlich alles. Bis auf die Farbe sieht dann aber auch alles so ziemlich gleich aus. Zum Glück koche ich gerne, denn das mache ich in der nächsten Zeit viel.

Oh Hummus, mein Leibgericht. Im Mauerpark in Berlin.

Episode 3: Der Unterkiefer hängt schief

Manchmal hilft nur noch Humor.

Eines Tages spüre ich, dass etwas nicht gut ist. Der Blick in den Spiegel bestätigt: Mein Unterkiefer hängt etwas schief. Ich schiebe Panik – war das Ganze umsonst?! Tatsächlich ist eine Schraube locker. Wie bei so vielen Leuten. In diesem Fall verzögern sich dadurch sämtliche nächste Schritte um drei Wochen. Was sind schon drei Wochen, denke ich mir. Von da an spüre ich immer wieder nach, ob der Unterkiefer noch an Ort und Stelle ist. Ich muss wieder lernen, loszulassen.

Übernimmt die Krankenkasse die Kieferbehandlung doch?

Das Kämpfen lohnte sich.

Dann rufe ich aus einem Impuls heraus meine Krankenkasse an. Diese übernimmt – sowohl die Kosten für die Kieferchirurgie als auch für die Kieferorthopädie. Ich mache einen Freudesjauchzer. Das Kämpfen lohnte sich. Meine Klinik kämpfte mit mir.

Moderation mit Distraktoren in den Backen

Das nächste halbe Jahr ist geprägt von Arztbesuchen. Kieferchirurg, Kieferorthopädin, Hausärztin. Einmal hin, einmal her. Wie froh bin ich, ist meine Chefin so unkompliziert. Sie hinterfragt nicht und lässt mich. Ich bekomme die Chance, einen grossen Event von unserer Seite her zu organisieren und sogar zu moderieren. Ich ergreife die Chance. Und so stehe ich Mitte November auf der Bühne und moderiere Talks. Habe ich weiche Knie? Ja, natürlich. Und wie. Ich übe das Sprechen vor dem Spiegel. Krame meine alten Logopädie-Übungen hervor. Aber, das Seltsame – und Gute – ist: Es fällt niemandem auf.

«Pfuusbäckli» – zum Glück habe ich euch!

Da habe ich zwei doch stattliche Distraktoren in meinen Backen und keiner sagt was. Vielleicht sind sie auch einfach zu höflich, die lieben Schweizer. Man muss aber auch sagen: Meine Weichteile kaschieren die Geräte verdammt gut. Zum ersten Mal in meinem Leben weiss ich meine leichten «Pfuusbäckli» zu schätzen. So oder so zeigt mir die Erfahrung von Neuem, wie wenig mich die Meinung anderer kümmern sollte. Denn sie ist eh nie so wie erwartet.

Am 30. Geburtstag einer meiner Besten mache ich einen Poetry-Slam-Text für sie – meine Feuerprobe. Überhaupt finde ich in dieser Zeit auch zu einer weiteren Leidenschaft: Improvisationstheater. Wenn nicht jetzt, wann dann!

Distraktoren raus, Spange rein

Wieder etwas mehr zur Ruhe kommen.

Ende Januar kommen die Distraktoren auf beiden Seiten endlich raus. Das zelebriere ich mit Sushi essen. Ich erlebe zwei Wochen im Glück. Keine Distraktoren, keine Spange. Was mir tatsächlich am meisten Freude macht, ist Zähneputzen. Einfach durchsausen mit der Zahnbürste als gäbe es kein Morgen. Aber zwei Wochen sind so schnell vorbei wie der Kuchen im Magen ist. Mitte Februar dann die Spange. «Gartenhag». Weitaus weniger schlimm, als ich mir vorgestellt habe. Die Spange bereitet für die zweite OP vor. Alle paar Wochen ein Drahtwechsel, der für zwei bis drei Tage ziemlich zu spüren ist. Gerade in den ersten 24h tut sich am meisten. Wieder etwas mehr zur Ruhe kommen. 

Spange, da bist du ja wieder. Ich kenne dich nur zu gut aus meiner Kindheit.

Jobwechsel ahoi

Es ist auch in dieser Zeit, dass ich mich dazu entscheide, meinen Job spätestens auf Ende Juli zu kündigen – unabhängig davon, ob ich etwas Neues habe oder nicht. Zeit für den nächsten Schritt. Tatsächlich bewirkt mein Kieferjahr viele Änderungen ausserhalb meines Kiefers.

Ja zum neuen Job.

Mittlerweile ist es Ende März. Die letzte Voruntersuchung vor der zweiten Kieferoperation – diese sei weniger risikobehaftet als die erste. Tags darauf sitze ich bei einem Bewerbungsgespräch, das mehr einer Psychoanalyse gleicht. Wer ich bin? Wo ich hinwill? Fragen, die mir bekannt vorkommen. Ich entscheide mich zum Schnuppern – danach kann ich gar nicht anders, als der Stelle zuzusagen.

Die letzte Woche vor der zweiten OP ist dann auch eine intensive. Meine Arbeitskolleg*innen wegen der Kündigung informieren, alles vorbereiten/abgeben vor meinem Ausfall und den Schlussbügel vor der OP bei der Spange rein. Vertrauen und Gelassenheit für Runde 2 fassen.

Operation zum Zweiten: Oberkiefer

Dann findet Mitte April kurz vor Ostern meine zweite OP statt. Erneut packen. Erneut den Weg zur Klinik gehen. Dem See entlang. Ich atme tief ein. Dieses Mal geht es meinem Oberkiefer an den Kragen. Dieser ist zu schmal. Er wird unterhalb der Nase, im Bereich der Kieferhöhlen, durchtrennt. Mein Chirurg eröffnet mir zudem am Tag der Operation, dass ich zur Dehnung im Oberkiefer für circa sechs Monate ein Gerät tragen muss. Dafür zwei Jahre weniger Spange. Ok Doktor, wir haben einen Deal.

Weit weniger Schmerzen, dafür bin ich viel müder.

Die zweite Kieferoperation verläuft weniger reibungslos als die erste. Der Chirurg hat Blut und Wasser geschwitzt und alles gegeben – das Resultat ist gut. Sehr gut, wie er mir verspricht. Viel Blut habe auch ich verloren. Der erste Tag ist schlimm. Das Nasenbluten will nicht aufhören. Ich bin wieder bei meiner Schwester. Sie ruft den Chirurgen an. Er beruhigt. Ich überstehe ihn, den ersten Tag. Irgendwie. Von da an geht es bergauf. Die Schmerzen sind bedeutend weniger als beim ersten Mal, dafür bin ich viel müder. So müde. Ich schlafe. Bin gleichzeitig so dankbar dafür, dass ich schlafen kann.

Ich träume vom Resultat, wenn alles vorbei ist. Die Schwellung abgeschwollen. Die Spange weg. Das Gerät weg. Ich wieder in Höchstform. Mit meinem neuen Kiefer. In drei Monaten, im Juli, wird es vielleicht schon soweit sein. Ich lächle im Schlaf.

Von Arschloch-Tagen und Zahnspangengummis

Mein erster offizieller Poetry-Slam-Auftritt – mit Spange.

Zwischendurch habe ich aber auch mal so einen richtigen «Arschloch-Tag». An dem ich einfach so gar keine Lust mehr habe. Diesen braucht es auch ab und zu. Tag für Tag erhole ich mich aber mehr. Mein neues Team schickt mir Pflanzen zur Besserung, worüber ich mich sehr freue. Dann eine kleine Hiobsbotschaft: Da rechts der Biss noch nicht stimmt, muss ich Zahnspangengummis tragen, wodurch sich alles nochmals etwas verschiebt. Gut, das packe ich nun auch noch.

Das Kieferjahr zieht sich in die Länge

Die Realität zeigt: Im Juli ist es noch nicht so weit. Mein Kieferjahr dehnt sich aus. Es wird August. Mich noch ein wenig in Geduld üben. Dann, am 23. September kommt die Spange raus. Es geht sehr schnell. Ich schaue mich ungläubig im Spiegel an – so viele Zähne. Ich strahle. Ende Dezember kommt dann auch meine Platte im Oberkiefer raus und meine Zunge erfreut sich ab dem vielen Platz. Yay, finally done!

Beide Kiefer-OP’s vorbei und Spange raus = happy Corinne!

Ob ich mein Kieferjahr mit einer gewissen Naivität angegangen bin? Unbestritten. Aber ich hab mich einfach drauf eingelassen. Mit einer Riesenportion Vertrauen. Sonst hätte ich es wohl nicht geschafft. Es hat mir extrem geholfen, mich auf das Ergebnis am Schluss zu freuen. Dieses richtig vor meinem inneren Auge zu visualisieren. Und mich dafür nur auf den nächsten Schritt zu fokussieren, den es zu meistern gilt. Voll im Moment zu sein. Andere gehen den Jakobsweg, um sich selbst zu finden. Für mich war mein Kieferjahr eine Reise zu mir selbst. Ich bin angekommen.

Du kannst dich in meiner Geschichte wiederfinden? Oder teilst du eine ähnliche Erfahrung? Oder kann ich dir mit einem Rezept für pürierte Kost weiterhelfen? Ganz egal, ob du jemanden als Orientierung brauchst oder dich einfach sonst mit mir austauschen willst – ich freue mich über deine Nachricht: corinne@cocovin.ch

Diese Ärzte begleiteten mich in meinem Kieferjahr:

Dr. med. Albino Triaca
Zentrum für Kiefer- und Gesichtschirurgie
Klinik Pyramide am See
Bellerivestrasse 34
8034 Zürich

https://pyramide.ch/de/kiefer-und-gesichtschirurgie/

Dr. med. dent. Barbara Mislik
Fachzahnärztin Kieferorthopädie
We Love Smiles
Kieferorthopädie Zürich AG

Praxis für Naturheilkunde – Barbara Niklaus

https://www.naturzeitpraxis.ch/

Barbara Niklaus
Dipl. Naturheilpraktikerin TEN
> Lymphdrainage, Unterstützung der Heilung

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